WIR ÜBER MICH
Geboren wurde ich als Russpartikelfilter in einer Kohlenschütte am Rande eines ungeheuren Stahlschrankes – versehen mit einer Neigung zur Lungenatmung und ausgestattet mit Gliedmaßen versuchte ich mein Glück…Als ich damit aufgehört hatte, begann ich leidenschaftlich zu denken und zu sitzen. Ich saß eine Weile vor leeren weißen Flächen und dachte. Dann dachte ich nach und befüllte die Flächen zusehends mit Schwarz; dann musste ich nachsitzen. Ich saß so lange nach, bis ich nicht mehr nach-denken musste und das Schwarz-Malen völlig unbedacht aus mir heraus lief. Seither muß ich nur immer darauf bedacht sein, weiße Flächen zu finden, die noch nicht für anderes bestimmt sind – außer vielleicht für Schwarze Gedanken.
Apropos Glück:
Inzwischen versucht das Glück mich bisweilen, tauchen am Horizont Riesen auf, die plötzlich, in die Nähe und auf Augenhöhe gekommen, meine Arbeit mögen und mich bald schier verzweifelt sehen;
Werd ich zum Augenblicke sagen: // Verweile doch! Du bist so schön! // Dann magst du mich in Fesseln schlagen, // dann will ich gern zugrunde gehn!
So gehe ich dann gammelfleischig mal mehr, mal weniger gerne zugrunde und teile mir meinen Spaß in Portionen; solange mich die Arbeit findet, und das tut sie immer noch, gehe ich ihr nicht aus dem Wege. Es fing mit Zufällen an: in einer frühen Phase als Zeichner zerknautschte ich Kohlepapier (gibt es das heute überhaupt noch), übertrug rubbelnd die feinnervigen Linien auf unbescholtenes Papier und versuchte mich mit dem tastenden Bleistift in gigantischen Themen und Motiven. Das miss- häufiger als es gelang und so versuchte ich ein Prinzip daraus zu machen, lange bevor ich die Arbeiten von Max Ernst und anderen kennenlernte. Aber immer, wenn das Experimentieren gute Erfolge zeitigte, wenn die Versuchsanordnungen immer perfekter wurden, das sprichwörtliche Holztürmchen immer höher ausbalanciert werden konnte, wuchs in mir die Lust, es damit bewenden zu lassen; ich musste es gar nicht zum Einsturz bringen, einfach nur sein lassen- perfekt ist einmal (vielleicht)schön, beim zweitenmal (bestimmt) langweilig.
Eine dreizehn Jahre währende (fast) tägliche Fron presste mir ca. 3000 tagespolitische Cartoons aus der Feder, verbunden mit dem ungeheuer prickelnden Gefühl, wenn an prominenter Stelle abgedruckt, dann (aber auch nur dann) prominent und irgendwie wichtig zu sein. Als ich von diesem Holztürmchen bis Berlin gucken konnte (Beteiligung an Rückblende 2001-2004 in Berlin) habe ich eines Sonntags einfach aufgehört die Tagespresse zu bedienen…Inzwischen ist das eher Unabsichtliche, das Intuitive, das unverhofft Gefundene, ein Nicht-Prinzip, will heißen: ich lasse mich von den vielen Verstrebungen eines selbst geschaffenen Gerüsts (netzwerkähnlich) mal nach hier, mal nach da treiben und versuche, dem, was sich da jeweils bietet mit meinen bescheidenen Mitteln gerecht zu werden. Das kann bedeuten, dass ich beinahe gedankenlos einer dünnen Linie übers Papier folge, bis ich mich einem selbstgehäkelten artifiziellen Gestrüpp gegenüber sehe über das ich mich nur wundern kann und wenig später in einer Auftragsarbeit irgendeinen bekannten Kopf modelliere, der beim Auftraggeber wie bei mir selbst (auch falsche) Erwartungen weckt um zu guter letzt vielleicht einen KunstamBau-Entwurf zu machen, mit allen damit verbundenen Konsequenzen (kurzfristig viel aber, ach, nur Geld und ähnlich schlimme Dinge)- vielleicht beschmier ich mir aber einfach nur ein paar Toasts mit merkwürdigen Darstellungen oder (un-)heiligen Erscheinungen, wer weiß; manchmal liebe ich diese Sprünge, und wenn es zu schön wird und es ist kein deprimierender Winter, fahre ich unnützer weise ins wahre Leben-Urlaub, da will ich dann gern zugrunde gehen (kehre aber jeden Augenblick auch mutig wieder zurück ins noch zu Erfindende)…
Rheinhessen im Sommer 2010
Habe heute einen tollen Artikel ueber Dich in DW TV gesehen. Dachte mir, nanu: ist doch mein Cousinund schaute mir daraufhin Einiges von Dir im Internet an.
Muss schon sagen: Bin begeistert.
Liebe Gruesse aus dem sonnigen Thailand
Jutta und Maurice
Hallo Jörg,
Ich erkenne Dich in Deiner Beschreibung sehr gut wieder! Ich habe übrigens mehrere Deiner „Experimente“ bei mir an der Wand hängen. Gut dich hier wieder zu finden.
Herzliche Grüße aus Belgien,
Tomke